Montag, 19. September 2016

Tomatenhaus

Zwischenzeitlich gehe ich zwar in den Garten, aber es geschieht nicht viel. Die Äpfel unter dem Baum sammle ich ein und werfe sie auf den Kompost, ab und an kümmere ich mich um die Mulchschicht auf meinen Beeten und einiges kann ich noch immer ernten. Die Afrikaner sind fast jeden Tag im Garten. Meist am Abend und oftmals zu viert. Dann nehen Sie Eimer und Kannen und begeben sich plaudernd auf den Weg zum See, um Wasser zu holen. Plaudernd in Haussa kehren sie zurück den kleinen Berg hinauf zum Garten und leeren Ihre Gefäße in die große Regentonne um erneut hinunter zum See zu marschieren.

So auch gestern.

Mein Auto ist bis oben hin voll mit Holz. Balken, Träger, Plastikstücken für ein durchsichtiges Dach, einem Kompostgestell und so einigem noch mehr. All das ist das Material aus dem nun ein Gartenhaus, oder besser ein Tomatenhaus entstehen soll. So berichte ich es den Afrikaner, als ich sie gestern zufällig im Garten treffe. Sie werden helfen, mein Auto zu entladen und ich meine gesehen zu haben, dass sie es gut finden, wenn wir ein Tomatenhaus bekommen.

Ich gehe und mache mich mit dem Rad auf den Weg hinaus in die Feldmark. Dort treffe ich Hussein und Rasak. Nach einem kurzen Gespräch fahre ich enttäuscht weiter. Nein, Hussein braucht das Tomatenhaus nicht mehr, dass er mir noch vor ein und einer halben Woche vorgeschlagen hatte. Er wird nach Neubrandenburg gehen, seine Papiere sind da. Ja, ... Der Garten ist nur einer Station auf ihrem Weg, es betrübt mich, bin ich doch weit gefahren, das Recyclingmaterial für das Haus zu besorgen, es betrübt mich, auch wenn ich das gewußt habe, dass sie bald wieder den Garten verlassen würden. Ich wünsche ihm alles Gute für sein Leben in Neubrandenburg und fahre weiter.

So wird sich der Konflikt um die Flächen im Garten auf noch andere Weise lösen, ahne ich. Zur Zeit gärtnern fast nur noch die Afrikaner auf dem kleinen Stück. Dennoch zeigt mir David heute abend empört, dass jemand - und er vermutet es seien die anderen, was die Syrer sind, für ihn, gewesen - dass die Paprika, die er mühevoll und mit Zuwendung gepflegt hat, komplett abgeerntet wurden. Ich soll den anderen, das sagen, dass das nicht geht. Ich sage, es sei wichtig, dass er selber mit den anderen spreche, bis mir einfällt, dass er nur wenig Englisch spricht und die Syrer kaum Englisch verstehen ...

Die Saison ist fast zu Ende. Meine eigenen Flächen sind gut gemulcht und werden von mir mit allem möglichen organischen Abfall bedeckt, der die Erde vor Verdunstung schützt. So brauche ich nicht zu gießen und das Unkraut läuft nicht auf. Das funktioniert, so dass ich weiß, im nächsten Jahr kann ich mehr anbauen, ohne zu viel Arbeit hinein stecken zu müssen.

Donnerstag, 8. September 2016

... nicht der Nabel der Welt

Nach langer Zeit gehe ich wieder in den Garten. Die Unstimmigkeiten hatten mir das Gärtnern verleidet aber gleichzeitig war die Witterung so miserabel gewesen, dass meine unlängst ausgeknipsten und entblätterten Tomaten über 8 Stunden in Regen und Niesel standen. "Das war´s" dachte ich mir und eigentlich war´s Gewißheit: Die Braunfäule war jetzt an den Tomaten nicht mehr aufzuhalten. 10 Tage später etwa, wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich mich dann wieder in den Garten gewagt, vielleicht noch länger hat mein Zögern gedauert. Die Tomaten braun, selbst die Früchte angegangen und ganze Triebe vergammelt. "Tja, mit Dach wäre das nicht passiert", denke ich. Aber tatsächlich lagen gleich viele - zeitlich bedingte -Kulturfehler vor:
  1. Die Tomaten sind schon geschwächt gepflanzt worden
  2. Der Boden ist mehr als dürftig für Tomaten, ganz ohne Kompost oder Mistgabe
  3. Die Tomaten sind viel zu spät und dann nicht regelmäßig ausgegeizt worden, erschwerend waren sie durch den schlechten Zustand zur Pflanzzeit bereits mehrfach verzweigt.
  4. Mangels Ortskenntnissen und Zeit hatte ich keine Schachtelhalmbrühe gemacht, die alle 14 Tage hätte regelmäßig auf die Pflanzen gesprüht werden müssen, um diese gegen den Pilzbefall zu schützen.
  5. Und schließlich, der schlechte Standort. Eine Reihe Tomaten befand sich ganz am Ende des Gartens, dort wo schon der Apfelbaum Schatten wirft, eine Tomatenreihe wird von Kürbissen und Lauchpflanzen bedrängt.

Gestern nun war ich das erste mal wieder im Garten, so richtig, nach der Arbeit, um zu gucken, was los ist. In den Wochen davor war ich nur kurz dort,vor meinem Urlaub, um Unkraut zu jäten vor der Hecke auf dem öffentlichen Weg und das hohe Gras mit der Heckenschere zu mähen. Einen halben Tag habe ich auch das Kräuterbeet freigekrautet und die Kohlpflanzen erneut gemulcht.

An diesem Abend treffe ich Arras. Er erzählt vom Garten und ich erfahre, dass auch Rasak und Husseinn immer wieder dort sind und die Schwarzafrikaner sehr viel Spaß haben, jeden Abend gemeinsam in den Garten zu gehen, um die Kohlpflanzen zu gießen. - Ich erzähle Arras davon, dass er selber auch einen Kleingarten mieten könnte, wenn er wollte und hier in Penzlin bleibt. Dann berichte ich ihm, dass ich Holz bekomme, um eine Hütte zu bauen, für die Gartengeräte und er versichert mir, dass er helfen wird, wenn die Zeit gekommen ist.

Ermutigt fahre ich weiter in den Garten. Nach nicht langer Zeit kommen Hussein und Hussein2 vorbei. Sie begutachten Zucchini und Mais, probieren Tomaten und schießlich kommt Hussein zu mir und fragt, ob wir nicht ein Tomatenhaus bauen könnten. Er zeigt mir, dass Kälte und Lichtmangel den Tomaten nicht gefällt und die Früchte dann faulen. Nach den vielen Wochen ist es eine echte Freude, dass er mich mit ein paar ersten deutschen Worten anspricht und wir uns verstehen! Das ist eine gute Idee, das mit dem Tomatenhaus und auch sein Vorschlag, es in die Ecke links vom Eingang zu setzen und die kompostierte Erde dort zu nutzen ist großartig. Ich erzähle ihm, dass ich Mitte September Holz bekomme und wir dann ein Haus bauen können. Ich muss allerdings noch mit denNachbarn sprechen, ob die mit dem gewählten Standort auch einverstanden sind.

Voller Elan zieh Hussein schon einmal den Erdhaufen flach an der Stelle, wo das Häuschen stehen soll.

Als ich zu Hause bin fällt mir auf, dass ich ja auch die anderen fragen sollte, ob Sie ein Haus dort hin stellen möchten.

Ein Termin für alle

Montag, 1. August

Ich gehe pünktlich von der Arbeit und finde mich um 17 Uhr im alten Rathaus ein. Noch sind wenige da, und auch keiner meiner Gartenfreunde. Erst gegen 17.30 Uhr, als wir schon mitten im Memory-Spiel stecken, kommen Hussein und Rasak herein. Und erst als wir unten schon vor der Tür des Rathauses stehen kommen Arras, Warren und Dany, die wieder auf dem Weg sind in den Garten, um zu düngen. Nach einigem hin und her vereinbaren wir einen Termin für Dienstag um 19 Uhr. Alle nicken und sagen zu, dort zu sein.

Dienstag, 2. Augsut, 19.15 Uhr

Punkt sieben habe ich niemanden erwartet, aber um viertel nach ist noch immer keiner der Gartennutzer hier eingetroffen. Ich gehe also in den Garten. Wer weiß, ob die Verabredung nicht vielleicht mißverstanden wurde? - Aber auch dort ist niemand außer mir. Na, das war wohl nichts. Mit diesem Fiasko habe ich aber dann doch nicht gerechnet. Ich rufe Rasak an, denn es war ja vor allem sein Wunsch, dass wir uns alle gemeinsam treffen. Oder meiner?

Er sagt, er sei auch am Rathaus gewesen, um 5 Uhr nachmittags und niemand sei da gewesen. Da haben wir Punkt 1 der hheutigen Ein-samkeit, die falsche Uhrzeit, schon einmal geklärt. Dennoch äußere ich meinen Unmut, dass ich versetzt wurde und meine Freizeit mit Warten verbracht habe.

Im Gespräch mit ihm, und er spricht in gewisser Weise auch für Hussein, zeigt sich, dass der Widerstand, das Gespräch zu suchen mit den Afrikanischen Mitnutzern, um die Unstimmigkeiten zu klären, noch weit größer ist als ich dachte, und dass die Forderung an mich, die Unstimmigkeiten nun zu lösen, ich alleine und zwar durch autoritäre Festlegung von Gartenregeln, noch lauter wird. "Wie spannend" denke ich "Würde unsere Gesellschaft wirklich funktionieren, wenn wir immer erwarten, dass jemand anders für uns die Schwierigkeiten löst? Entsteht nicht ein gutes Miteinander nur, wenn Ansichten, Wünsche und Ziele ausgetauscht und Rahmenbedingungen verhandel werden? " Ich bleibe hart und lasse die Vorwürfe gegen die Afrikaner nicht gelten. Es geht in diesem Garten nicht darum, Differenzen zu verstärken, sondern Gemeinsamkeiten zu finden und eine gegenseitig Offenheit zu entwickeln, die jedem der Nutzer den Raum gibt, nach seiner Art und mit den eigenen Erfahrungen zu gärtnern. Regeln müssen gemeinsam gefunden werden - sofern sie nicht in der Satzung des Kleingartenvereins bereits festgelegt sind, damit hier alle Gartenpächter friedlich miteinander leben können. Dies ist eines der wichtigsten Elemente in einem Garten für mehrere Nationen: Das Recht auf Mitbestimmung, zumindest an diesem Ort.

Wie aber können die Gartennutzer ihre Fragen verhandeln, wenn sie keine gemeinsame Sprache sprechen?