Samstag, 26. März 2016

Erster Tag im Garten für alle


Karfreitag und es regnet. Kein schöner Tag um in den Garten zu gehen. Aber wir sind verabredet, die 7 jungen Männer aus Syrien und ich, um meine neue kleine Gartenparzelle umzugraben. Ich habe wenig Hoffnung, dass sie bei diesem grauen Wetter überhaupt kommen werden. Dennoch, ich mache mich gegen 13.45 Uhr daran, zu Hause alles einzupacken, auch die Hähnchenschenkel. Denn eine kleine "grilleade" ist angesagt. Kurz vor zwei Uhr fahre ich los in die Kleingartenanlage, fest entschlossen, gegebenenfalls auch ganz alleine anzufangen das endlose Stück Garten umzugraben. Dies ist voller Luzerne, deren Wurzeln 40 cm tief im Boden stecken und der Boden ist noch dazu lehmig und schwer. Als ich den Sandweg passiere sehe ich einen Radfahrer, er kommt mir entgegen. Es ist Rasak! Sein Fahrrad ist kaputt. Wir verständigen uns, dass wir gemeinsam in den Garten gehen. Ich parke das Auto, wir nehmen Spaten und Forke mit und stapfen in leichtem Nieselregen den Weg hoch. Zum Glück ist es trotz bescheidenen 8 Grad relativ mild für Ende März.

Wir beginnen zu buddeln. Das geht sogar ganz gut. Nach etwa 10 Minuten hören wir Rufe. Wir drehen uns um und sehen die anderen Syrer, die einen Querweg weiter nördlich eingeschlagen und uns nun endlich gefunden haben. Also sind wir jetzt zu sechst!Ich hole weitere Spaten. Sie legen los und schon bald ist ein großes Stück Land umgewälzt.

Die Stimmung ist gut. Lebendige Gespräche in Arabisch um mich herum. Ich verstehe kein Wort. Aber es scheint, als seien alle ganz froh, endlich mal wieder etwas zu tun.

Immer mal wieder legen wir eine kleine Pause ein, und Rasak übersetzt das eine oder andere Gespräch, so dass ich auch mit den mir noch fremden Menschen ganz langsam in Kontakt komme. Hussein und Amar  buddeln so schnell, dass die eine Seite der Anlage schon nach einer gefühlten halben Stunde fast umgegraben ist. Und auch der Rest ist bald geschafft.
Da fährt ein weiterer Radler den Sandweg herauf und am Gartentor steht Idress. Alle lachen, weil er sich entschuldigt, zu spät gekommen zu sein, aber nun ist ja nichts mehr zu tun! Wir entscheiden, die Arbeit zu beenden, es ist zu nass um auf die Erdbrocken zu steigen und die Luzerne und die Grasbüschel herauszusammeln. Überdies wäre das eine Schlammschlacht bei dem Boden.


Jetzt kommen die Hähnchenschenkel ins Spiel. Kann ich ihnen anbieten bei der feuchten Witterung auch noch zu grillen? Ja, keine Frage, es wird gegrillt. Wir suchen uns ein letztes Plätzchen, das noch nicht umgegraben ist und stellen dort den wackeligen Grill auf. Bald glüht die Kohle und die Männer legen das Fleisch auf - immer schön Luft zufächeln. Es ist eine ausgelassene Atmosphäre. Ich finde es toll, dass sie alle gekommen sind, im Garten mitzuwerkeln. Sie sind, wie ich später im Gespräch erfahre, so glücklich, endlich einmal nicht zu Hause zu sitzen, selbst bei diesem Wetter draußen sein ist da willkommen.

Die Kleingartenanlage schien ausgestorben, doch dann kommen tatsächlich ein paar Menschen den Weg hoch. Sie sind gerade an meiner Pforte vorbei, "Hallo" haben wir Ihnen zugerufen und dann halten Sie inne - "Ja, kommt doch rein, wollt Ihr mitgrillen? - Macht Ihr eine Grillfete? ..." Und schon sind wir noch 4 Personen mehr, Cola wird ausgepackt und die Zigaretten werden geteilt. Wir kommen ins Gespräch und Hussein fragt die neu angekommenen Frauen, ob sie eventuell auch Hilfe in ihrem Garten benötigen. Na klar! Und gleich begeben sich ein paar von den Leuten zur Parzelle der Besucher, um zu schauen, was denn hier gemacht werden kann.

Ein guter Start für einen Garten, der für die Nationen offen sein soll. Rasak ist voller Elan, mitzuhelfen, hat Ideen und klare Vorstellungen, wie er denn die Beete bestellen kann, fragt nach Möglichkeiten, Wasser für die Bewässerung zu organisieren und hat eine Idee für einen Pavillon am Ende des Grundstücks. Wir vereinbaren, dass ich im Bürgerhaus nachfrage, ob wir dort die Geräte deponieren könnten, so können alle unabhängig von mir in den Garten ...

Das ist der Anfang, der sich so leicht anfühlt, voll Begegnung und Offenheit. Die Welt rückt ein Stück zusammen, und in der ruhigen Minute rund um den warmen Grill kommen Gedanken wie "Hier kann ich rauchen und neben Dir, einer Frau, stehen ... bei uns in Syrien, wo die IS alles zerstört, würde ich dafür getötet" Freiheit ist ein Gefühl da so viel wert ist und ich freue mich, diesen Nachmittag heute mit den neuen Nachbarn gemeinsam im Garten verbracht zu haben.



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