Dienstag, 12. April 2016

Steckzwiebeln, Möhren & Co

Donnerstag hatten wir alle nur kurz Zeit. Wann ich denn wieder im Garten sei, fragte mich Rasak. Sonntag, antwortete ich. Sonntag werde ich ganz sicher da sein, so gegen 13 Uhr. Und so war klar, Sonntag würde ich damit rechnen können, dass zumindest Rasak und Halil auch in den Garten kommen würden.

Sonntag

10. April 2016

Heute ist Sonntag, der Morgen verfliegt im nun und ich spute mich, um nicht zu spät im Garten und damit unzuverlässig zu sein ...  Selbst wenn ich alleine werkeln muss, ich habe mir genug vorgenommen, um ein paar Stunden beschäftigt zu sein. Die Sonne scheint noch nicht richtig, aber das Wetter ist so mild und freundlich und obwohl der Himmel noch etwas dunstig ist, ist es doch heiter draußen.

Mit frisch gekochtem Kaffee, zwei angebrochenen Tafeln Schokolade,  Fruchtriegeln und einer Flasche Wasser stapfe ich los. Natürlich bin ich alleine. Halb so wild, ich hab mich drauf eingestellt, sag ich mir. Aber vor mir liegt diese riesige Fläche Ödland. Ich greife also ganz alleine zur Grabegabel und setze die Arbeit dort fort, wo Hussein und Idress aufgehört haben. Stück für Stück, mal mit der Grabegabel, mal mit der Harke arbeite ich mich durch den Lehmboden und die  umgeworfenen Soden. Jetzt, wo alles noch trockener als noch vor ein paar Tagen ist, scheint der Boden die Luzerne wie Beton festzuhalten. Man o man, wie mühsam. Aber ich bleibe am Ball und grabe so lange, bis ich auch in gefühlten 50 cm Tiefe das letzte Wurzelstück, den letzten Grasbüschel erwischt habe. Denke ich zumindest!

Die Kirchenglocke oben auf dem Penzliner Hügel läutet. Dreimal. Ich war erst gegen kurz vor zwei im Garten, so ist es nun kurz vor drei. Wie schade, noch ist niemand hier und ich werde wohl doch den heutigen Nachmittag ganz für mich sein. Ich höre Stimmen - na ja, die Nachbarn, auch sie nutzen das schöne Wetter. Neben mir hat der Gärtner bereits seinen Mais von letztm Jahr aus den Beeten entfernt, ein paar Parzellen weiter vernehme ich den Klönschnack über den Gartenzaun ... Doch, da kommen Menschen den Weg herauf, na, ich gucke doch hin, wäre ja schön ...

Ich freue mich wahsninnig, es ist Hussein mit einem weiteren Syrer, der schon am ersten Tag mit von der Partie ist. "Hallo Hussein!" sage ich. "Und wie heißt Du? Ich habe Deinen Namen vergessen?" "Hussein" sagt er und zeigt auf sich und auf Hussein. Ich gucke zu Hussein und er erklärt "Hussein one", zeigt auf sich "Hussein two" und zeigt auf seinen Freund. Also heute sind zwei Husseins im Garten. Viel Zeit zum Reden bleibt gar nicht, schwupp, meine Grabegabel ist schon in den Händen von Hussein one und wieder legt er los wie schon vor ein paar Tagen, auch meine Harke kann ich vergessen. Die hat sich Hussein two geschnappt. Also begnüge ich mich damit, mal das viele Beikraut, dass wir zum austrocknen auf den schmalen Mittelweg gelegt haben mit unserer zweiten Harke auszuharken und auf den Kompost zu verfrachten. Wir arbeiten stumm. Ich bin so zufrieden und freue mich. Gärtnern mit anderen Menschen ist einfach eine echte Freude!

Nach einiger Zeit schließlich ist das Gartenstück bis zum Kompost auf der westlichen Wegseite einmal komplett durchgearbeitet. Zeit für eine Pause. Ich packe den Kaffee aus, und das bringt sogar Hussein one dazu, einmal inne zu halten. Wir sitzen zusammen und ich lerne meine ersten Worte Arabisch. Nur ein Wort werde ich auch am nächsten Tag noch wissen: Das Wort für Katze. Ausgesprochen hört es sich an, als sagte ich "Otter", das finde ich lustig. Hussein two erklärt mir, dass es viel leichter ist Deutsch zu lernen, wenn er mit den Deutschen einfach zusammen ist. In der Schule wandert ein Wort rechts ins Ohr hinein und links wieder heraus, so zeigt er mir und ich verstehe sofort was er meint. Mir geht es genauso.

Noch fehlt Rasak, Hussein bittet mich, doch einmal bei ihm anzurufen. Das tut ich und Rasak verspricht noch vorbeizukommen. Viel früher als erwartet radelt er den Weg herauf, begleitet von einem Jungen, der auch kurz Hallo sagt und herein guckt bei uns.

Skeptisch ist Rasak. "Almut, meinst Du da kann man schon was einsäen? Da ist doch überall noch Unkraut dazwischen", gibt er mir auf Französisch zu verstehen. Und richtig, wenn man tiefer gräbt, taucht immer wieder ein neues Unkraut auf. Wir verständigen uns zu viert darauf, noch einmal von vorne Stück für Stück die Erde umzugraben und zu zerkrümeln. Immer wenn wir ein Stück geschafft haben, säen wir etwas an. Los geht es mit den Steckzwiebeln. Rasak sticht tiefe Furchen mit dem Spaten. Im Geiste sehe ich die Zwiebel in der unendlichen Tiefe des Lehmbodens auf nimmer Wiedersehen verschwinden. Doch er versichert sich noch einmal "Ist das zu tief?" fragt er mich. Ja, das ist zu tief. So viel Kraft hat die kleine Zwiebel nicht, um schließlich ihre grünen Blätter über den Boden zu bringen. Also setzt er sie höher. Schließlich werden die Zwiebelreihen angehäufelt, so dass am Ende drei schmale Hügelbeete entstehen. Noch verstehe ich nicht warum. Aber Rasak erklärt, so kann mann immer das Wasser zwischen die Reihen gießen. Als nächstes bereiten wird eine Fläche für die Möhren vor. Völlig perplex bin ich, als auf einmal die gesamte Saattüte leer ist, die ich für mindestens 10 laufende Meter Möhrenaussaat vorgesehen hatte. Breitwürfig haben die Gärtner aus dem Süden die Möhren ausgesät und mit Erde wieder bedeckt. Das scheint bei ihnen zu Hause üblich. Wie selbstverständlich erhält namlich das gesamte Feld einen kleinen aufgehäufelten Rand. So kann man sehen, wo die Möhren sind, erfahre ich. Und so geht es weiter, Stück für Stück. Rettich, Mangold, Pastinake, Petersilienwurzel, sie alle werden breitwürfig ausgeät und "eingerahmt". Ich füge in guter deutscher Manier ein paar Stöckchen hinzu, auf die ich die Saattüten gespießt habe.  Wenn die Pflänzchen gekeimt sind, sollen sie umgepflanzt werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen